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Hoppe-Kilpper: Die dezentrale Energiewende setzt auf aktive Bürgerbeteiligung, auch durch finanzielle Beteiligung an den Projekten. Das erhöht die Akzeptanz und sorgt für hohe regionale Wertschöpfung in Kommunen und Landkreisen. Dadurch wird das Thema Energieversorgung zum kommunalen Thema der Zukunftsvorsorge. Deshalb beteiligen sich auch kommunale Gebietskörperschaften an Energieversorgungsunternehmen, siehe die EAM, oder gründen sogar eigene Stadtwerke wie vor einigen Jahren in Wolfhagen. Jérôme: Wohin geht es mit der Energiewende, bedenkt man, dass regionale Entwicklungen auch immer mit den Entwicklungen im europäischen Markt bzw. mit dem Weltmarkt zu tun haben? Hoppe-Kilpper: Der strukturelle Kern der Energiewende liegt in der Dezentralisierung. Was bislang von wenigen großen Unternehmen mit wenigen großen Kraftwerken bewerkstelligt wurde, wird zukünftig von Hunderttausenden kleinen, privaten Betreibern von Photovoltaik, Wind- und Bioenergieanlagen übernommen. Mit diesem Strukturwandel ändern sich natürlich auch die Geldströme. Durch Erneuerbare-Energien-Anlagen in Bürgerhand bleibt das Geld für die Energieversorgung vor Ort und wandert nicht ab in andere Regionen oder ins Ausland. Jérôme: Kann Energiewende glaubwürdig sein, wenn einerseits von Strom sparen gesprochen, andererseits unkontrolliert Strom überproduziert und anschließend exportiert wird? Hoppe-Kilpper: Die Energiewende bleibt unvollständig, wenn nicht die Energieeffizienz, neben dem Ausbau der Erneuerbaren Energien, zu ihrem gleichwichtigen, zweiten Standbein wird. Mit dem wachsenden Anteil Erneuerbarer Energien im Netz wächst auch die Notwendigkeit, dass diese kleinen, dezentralen Kraftwerke Aufgaben der Netzführung übernehmen. Das ist technisch kein Problem und wird zunehmend kommen. Eine wichtige Unterscheidung wird es jedoch geben: Im alten, zentralen Energiesystem werden die Kraftwerke an die jeweils benötigte Last angepasst. Im neuen, dezentralen Energiesystem werden sich auch die Lasten an die jeweils zur Verfügung stehende Kraftwerksleistung anpassen müssen. Jérôme: Während Strompreise an der Börse sinken und günstig von großen Unternehmen eingekauft wird, bleibt der Strom für den Endverbraucher durch die Umlagen so teuer wie bisher. Hoppe-Kilpper: Das alte System der zentralen Energiewirtschaft und die gerade neu entstehenden Strukturen einer dezentralen Energiewirtschaft passen nicht zusammen. Dafür gibt es viele Beispiele, und eines davon ist, dass der Börsenpreis für Strom durch die Erneuerbaren Energien sinkt, der Stromkunde davon jedoch nichts merkt. Der Fehler besteht darin, dass versucht wird, die Erneuerbaren Energien in die alten Strukturen der Energiewirtschaft zu zwängen, anstatt die Energiewirtschaft an die Notwendigkeiten und Eigenschaften der Erneuerbaren Energien anzupassen. Wir erleben zurzeit eine unselige Allianz aus alter Energiewirtschaft und traditioneller Wirtschaft, die versucht, die alten Strukturen unbedingt beizubehalten, unter denen aber Erneuerbare Energien kaum eine Chance haben, sich positiv zu entwickeln. Jérome: Wie kann man verhindern, dass die Kosten für die Energiewende durch Umlagen und Rabatte weiterhin zulasten der Verbraucher gehen? Hoppe-Kilpper: Dass der Umbau unserer Energieversorgung hin zu Erneuerbaren Energien der Gesellschaft Geld kosten wird, war immer klar. Die aktuelle Diskussion um die Strompreise ist aber zutiefst unehrlich. Durch die Art der Förderung durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz, das EEG, kann jeder Stromkunde auf seiner monatlichen Stromrechnung ablesen, wie hoch die monatlichen Zusatzkosten für den Ausbau der Erneuerbaren Energien sind. Übrigens sind dies für einen Vier-Personenhaushalt rund 17 Euro pro Monat. Im Strompreis der anderen, schmutzigen Energieträger wie Kohle und Kernenergie sind deren immense Zusatzkosten, zum Beispiel für Umweltzerstörungen und Endlagerung, nicht enthalten. Diese Zusatzkosten sind deutlich höher, werden aber nicht auf den Strompreis umgelegt, sondern aus Steuermitteln bestritten. Jérôme: An welchen Stellschrauben kann deENet drehen, welche Entwicklungen kann es beeinflussen? Hoppe-Kilpper: deENet ist gefragter Ansprech- und Fachpartner für Politik, kommunale Verwaltungen und Ministerien. Wir bringen unsere Positionen in Anhörungen zu Gesetzgebungsvorgängen des Bundes oder dem Land Hessen oder auch in das EU-Beihilfeverfahren zum deutschen EEG ein. Für die Region Nordhessen verstehen wir uns als Treiber und Ideengeber einer dezentralen Energiewende. Zusammen mit dem Regionalmanagement Nordhessen und unseren Mitgliedsunternehmen unterstützen und initiieren wir Projekte der Region Nordhessen im Bereich Erneuerbare Energien und Energieeffizienz. Was ist deENet? Das Ziel von deENet: Die Region Nordhessen zu einem international anerkannten Standort für Anwendung, Forschung und Entwicklung sowie Produktion und Dienstleistung im Bereich dezentraler Energieversorgungssysteme und Energieeffizienz auszubauen. Der Weg von deENet: Mit regionaler Wirtschaft, Wissenschaft und Politik werden wegweisende Technologie- und Modellprojekte realisiert, mit denen die Transformation der Energieversorgung auf regionaler Ebene vorangetrieben wird. Was macht deENet: Mit über 100 Mitgliedsunternehmen ist deENet Informationsplattform und kompetenter Ansprechpartner, zeigt mit seinen Projekten, dass Erneuerbare Energien und Energieeffizienz nicht nur ökologisch, auch ökonomisch sinnvoll sind. deENet und das Geld: Die Netzwerkarbeit wird über Mitgliedsbeiträge und Drittmittel aus Förderprojekten finanziert. Seit Gründung 2003 wurden Projekte mit einem Volumen von sechs Millionen Euro realisiert, die weitgehend im Wettbewerb mit anderen Einrichtungen bei öffentlichen und privaten Mittelgebern eingeworben werden. Mittelgeber und Kooperationspartner waren Bundes- und Landesministerien, Unternehmen, Kommunen und Landkreise. JÉRÔME ENERGIE Foto: nh


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