Leidenschaft, Liebe, Leid: Rembrandt und Saskia
Als »Goldenes Zeitalter« gilt in den Niederlanden das 17. Jahrhundert – eine Zeit politischer, wirtschaftlicher und kultureller Blüte, die insbesondere einmalige künstlerische Leistungen ermöglichte. So speist sich nicht zuletzt der Fundus zahlreicher Kunstmuseen auf der ganzen Welt aus den Millionen von Gemälden, die in dieser Epoche von den zu Hunderten im ganzen Land wirkenden Malern geschaffen wurden. Ihr neben Jan Vermeer und Peter Paul Rubens heute prominentester Vertreter: Rembrandt van Rijn (1606–1669). Dessen Ehefrau, Muse und Inspirationsquelle: Saskia van Uylenburgh (1612–1642). Den gesellschaftlichen Voraussetzungen, Ausformungen und Begleiterscheinungen dieser großen Liebe wie auch den ihr entspringenden Kunstwerken widmet sich die Ausstellung »Kassel … verliebt in Saskia / Liebe und Ehe in Rembrandts Zeit«, bis zum 11. August inszeniert in Schloss Wilhelmshöhe.
Kaum ein zweites Bild Rembrandts ist mit solcher Liebe gemalt, ist so gewählt in der Anordnung, so reich und prächtig durchgeführt wie gerade dieses; es ist nicht nur unter den früheren Bildern, sondern unter allen Werken des Künstlers eines seiner schönsten“, urteilt der prominente Kunsthistoriker Wilhelm von Bode 1897 über Rembrandts »Saskia im Profil in reichem Kostüm«. Dieses erst 1642 vollendete Gemälde beginnt der Maler bereits 1633, kurz nachdem er Saskia, Tochter des Leeuwardener Bürgermeisters Rombertus van Uylenburgh, kennengelernt hat – vermutlich bei einer Begegnung im Hause ihres Amsterdamer Cousins Hendrick van Uylenburgh, einem Kunsthändler und Förderer Rembrandts. „Meine Hausfrau“, nennt er sie auf einer Zeichnung vom 8. Juni 1633, drei Tage nachdem sich das Paar verlobt hat, und dies ist keineswegs despektierlich gemeint. Denn zu dieser Zeit gilt die Verlobung als unwiderruflich, weil „die verlobte Frau bereits die Hausfrau des Verlobten ist“, mithin auch die Schlüsselgewalt inne hat – so beide schon zusammen wohnen. Doch bis dahin soll es noch ein ganzes Jahr der Trennung dauern, da Rembrandt in seinem Amsterdamer Atelier erst zahlreiche Auftragsarbeiten fertigstellen muss. Nach der Hochzeit am 22. Juni 1634 steht ihm Saskia für die folgenden neun Ehejahre indes sogar Modell, wie einige von Rembrandts historisierenden Porträts nahelegen, die große Ähnlichkeit mit den Skizzen seiner Frau aufweisen.
Vergänglichkeit und Erinnerung
Der Erfolg einer Ehe wird damals daran gemessen, ob Kinder gezeugt, erzogen und unterrichtet werden, es einen funktionierenden Haushalt gibt und sich um Kapital, Status und Reputation gekümmert wird. Das persönliche Glück, gar Leidenschaft, und die Entfaltungsmöglichkeiten der Ehepartner bleiben dem untergeordnet. Daran herrscht für Rembrandt und Saskia zwar kein Mangel und auch materiell geht es dem jungen Paar gut – sie hat Geld in die Ehe mitgebracht und er gilt inzwischen als einer der renommiertesten zeitgenössischen Maler –, doch zugleich ist die Tragödie für beide nie fern: Ihre ersten drei Kinder – geboren 1635, 1638 und 1640 – leben nur kurz, ein zu dieser Zeit häufiges Schicksal. Zudem ruft ihr offensichtlicher Wohlstand Neider aus Saskias Familie auf den Plan, gegen die gerichtlich vorzugehen sich Rembrandt schließlich genötigt sieht. Auch die Gesundheit seiner Frau verfällt plötzlich rapide, und nur ein dreiviertel Jahr nach der Geburt des letzten gemeinsamen Kindes Titus, stirbt Saskia, während der Maler gerade an »Die Nachtwache« arbeitet, am 5. Juni 1642 erst 29-jährig an Tuberkulose. Der trauernde Rembrandt – dem Wunsche Saskias folgend, wird er nicht erneut heiraten – überarbeitet ein letztes Mal ihr Porträt von 1633: Ihren roten Hut schmückt er nun mit einer Feder, als Verweis auf die Vergänglichkeit, und in die rechte Hand malt er ihr einen Rosmarinzweig, als Symbol ewiger Erinnerung.
Aus der Not verkauft
Versehen mit wesentlich einfacherer Kleidung, im Modegeschmack der den Barock ablösenden Renaissance entlehnt, entsteht in Rembrandts Atelier zehn Jahre später eine Variante seines Saskia-Porträts, welches er – mittlerweile in finanzieller Schieflage – zuvor an den befreundeten Kunstsammler Jan Six verkauft hat. Sein nie endendes Gedenken an das Leben mit Saskia verewigt er nicht zuletzt mit der Beischlaf-Radierung »Das Bett«, entstanden vier Jahre nach ihrem Tod. Rembrandts Sohn Titus, von ihm zumindest achtmal porträtiert, stirbt im September 1668 – ein halbes Jahr nach seiner Hochzeit, kurz vor der Geburt seiner Tochter und ein Jahr vor seinem Vater – mit 27 Jahren an der Pest. Von dem Vermögen, das ihm seine begüterte Mutter hinterlassen hat, kann er zuvor kaum Gebrauch machen, da es der bis zur Volljährigkeit verwaltende Rembrandt zur Tilgung seiner Schulden nutzt. Das später zu Berühmtheit gelangende Porträt Saskias wird, im Rahmen einer größeren Sammlung, im August 1750 schließlich von Landgraf Wilhelm VIII. von Hessen-Kassel (1682–1760) erworben. Doch mangels eindeutiger Deklarierung herrscht in Kassel noch rund 100 Jahre Unklarheit über die Identität der Dargestellten, bis die Rembrandt-Forschung in ihrem heute bekanntesten Porträt endlich die Ehefrau des Malers wiedererkennt.
Rückkehr nach 268 Jahren
Als »Rembrandt & Saskia / Liebe im Goldenen Zeitalter« war die zuvor anders akzentuierte Ausstellung bereits von November 2018 bis März 2019 im Fries Museum von Leeuwarden zu sehen, der – neben dem maltesischen Valletta – Kulturhauptstadt Europas 2018 und zugleich Geburtsstadt Saskias. Die Leihgaben zu dieser eingedenk seines 350. Todestages 2019 zugleich als Beitrag für das Themenjahr »Rembrandt und das Goldene Zeitalter« zu verstehenden Schau kommen, mit 24 Leihgebern, in erster Linie aus den Niederlanden, der Rembrandt-Sammlung der Museumslandschaft Hessen Kassel wie auch Sammlungen in Belgien, Frankreich, Österreich, Großbritannien und der Schweiz. Anlässlich der Ausstellung kehrte das in deren Zentrum stehende Porträt Saskias erstmals seit 268 Jahren in die Niederlande zurück. Begleitend und zur Vertiefung des Sujets ist ein opulent ausgestatteter Katalog erschienen (168 Seiten, 24,95 €).