Kasseler Bürgerpreis „Das Glas der Vernunft“
Sie wird wohl vielen Gästen als bewegendes Ereignis in Erinnerung bleiben: die 21. Verleihung des Kasseler Bürgerpreises „Das Glas der Vernunft“, der in diesem Jahr an den englischen Choreographen und Tanzpädagogen Royston Maldoom vergeben wurde. Seit über 30 Jahren initiiert und leitet dieser weltweit Tanzprojekte für jedermann und hat dabei, wie es im Text der Verleihungsurkunde heißt, „visionär und mit unverstelltem Blick auf den Menschen die transformierende Kraft des Tanzes zur Motivation und Persönlichkeitsbildung von Jugendlichen und Erwachsenen genutzt.“ Maldoom habe „jahrzehntelang weltweit mit seinen Tanzprojekten neue Möglichkeiten gelebter Toleranz und kreativer Freiheit geweckt, unabhängig von Herkunft und Hautfarbe, von Konfession und kultureller Prägung seiner Schüler“, was „Glas der Vernunft“-Vorstand Prof. Dr. Hansjörg Melchior später noch präzisieren sollte: „Wir ehren heute einen Mann, der mit den Mitteln des Tanzes, die zu Motivation, Selbstbewusstsein und Disziplin führen, das Persönlichkeitspotential Benachteiligter weckt.“
Nichts und niemanden verloren geben
In Würdigung der Begründer des 1991, kurz nach der deutschen Wiedervereinigung geschaffenen Bürgerpreises, verwies Oberbürgermeister Bertram Hilgen in seinem Grußwort besonders darauf, dass mit dem Preis „Das Glas der Vernunft“ diejenigen unterstützt und mit einer Stimme versehen würden, die sich „in ganz unterschiedlicher Weise den Idealen der Aufklärung verpflichtet fühlen“ wie auch „glaubwürdig und aufrichtig für die Freiheit des Geistes, die Überwindung ideologischer Schranken und Toleranz gegenüber Andersdenkenden einsetzen.“ Eva Kühne-Hörmann, hessische Staatsministerin für Kunst und Wissenschaft, bescheinigte Royston Maldoom, dem „Glas der Vernunft“-Preisträger 2011, zudem einen „riesigen Beitrag für die gesamte Kultur“. Denn die breite gesellschaftliche Zustimmung zu kulturellen Projekten wie denen Maldooms sei Voraussetzung für die weitere Finanzierung von Kunst und Kultur durch öffentliche Mittel. Die Ministerin wörtlich: „Solche Projekte machen es mir leichter, dass mein Haushalt auch im Jahr 2012 nicht gekürzt wird.“ Der Philosoph und politische Publizist Prof. Dr. Harald Seubert sorgte in seiner Festrede hingegen für deutlich weniger pekuniär geprägte Akzente: „Nichts und niemanden verloren geben, gerade nicht die Kinder – das ist die Lektion, die man aus dem eindrucksvollen bisherigen Lebenswerk von Royston Maldoom lernen kann“, und weiter: „Wir wissen aus allen großen Kulturen, dass sich die Kunst aus dem Tanz entwickelt hat. Er bildet mit den Mitteln des eigenen Leibes den Kosmos ab, den Rhythmus von Leben und Tod.“
Ein Workshop lockte Tausende
Ivan Liška, Direktor des Bayerischen Staatsballetts, berichtete in seiner Laudatio schließlich von der bis heute unverminderten Tanzbegeis-terung bei Kindern und Jugendlichen, die nun jährlich zu Tausenden ins Theater strömten, ausgelöst durch einen 2004 von Royston Maldoom veranstalteten Tanz-Workshop im Münchner Prinzregententheater: „Seitdem haben wir in München das Angebot an wegweisenden Veranstaltungsformen für Kinder und Jugendliche als gleichberechtigten Teil des Repertoires des Bayerischen Staatsballetts fest etabliert und ausgebaut. Ihr Geist ist also gewissermaßen immer bei uns geblieben!“ Liška weiter: „Nicht nur kann jeder tanzen – das haben unter anderem Sie uns immer wieder versichert und in den unterschiedlichsten Projekten überall auf der Welt bewiesen – es kann auch jedes Kind, jeder Jugendliche denken, kreativ sein, Leidenschaft entwickeln für ein Thema, eine Sache, einen künstlerischen Prozess und so durch die künstlerische Begegnung leichter seinen Platz im Leben finden.“ Auslöser für das Münchener Engagement von Royston Maldoon war der – zur Preisverleihung auch im Kasseler Staatstheater gezeigte – Film „Rhythm is it! You can change your life in a dance class“, mit dem 2003 von den Filmemachern Thomas Grube und Enrique Sánchez Lansch ein Projekt dokumentiert wurde, bei dem Maldoom mit den Berliner Philharmonikern, deren Chefdirigenten Sir Simon Rattle sowie 250 Berliner Kindern und Jugendlichen aus 25 Nationen eine Choreographie zu Igor Strawinskys „Le Sacre du Printemps“ erarbeitete. Kaum verwunderlich, dass Staatstheater-Intendant Thomas Bockelmann daher bereits zu Beginn der Kasseler Veranstaltung den Preisträger in einer sehr persönlichen Ansprache gebeten hatte, doch auch an seinem Theater einen Tanz-Workshop zu veranstalten. Er wird auch in Kassel choreographieren!“, konnte „Glas der Vernunft“-Vorstand Prof. Dr. Hansjörg Melchior, mit Ehefrau und Galeristin Karin Melchior eine überzeugungsstarke Partnerin an seiner Seite wissend, abschließend strahlend verkünden. Großer Applaus.